Die Rapunzel-Tangente

Mixed-Media-Installation

Museum Boppard "Nexus IV", 2022

Fotos Isa Steinhäuser

Die Rapunzel-Tangente, Museum Boppard, 2022, Nexus IV
Die Rapunzel-Tangente, Museum Boppard, 2022, Nexus IV

Die Installation friert einen deckungsgleichen Augenblick in zwei Biografien ein. Von zwei Rapunzeln. Die eine – Blonde – kennt jeder. Sie lebt im Märchen. Nie hat man sich gefragt, wie Rapunzel nach ihrer Haft im Turm – nach ihrem Erwachsenwerden – in die Verbannung gekommen ist. Das Märchen gibt keine Antwort. Das Mädchen muss aus dem Turm ohne Tür und ohne Treppe gesprungen sein. Aus dem Fenster, aus dem sie so oft ihr Haar herabgelassen hatte.

Wie in der Sekunde vor dem Fall ruht in der Installation ein Vogel vor der Öffnung eines Fensterchens. Im Rücken das Vertraute, hell Erleuchtete. Davor das Unbekannte, Möglichkeiten oder Erlösungen. Vielleicht wünscht Rapunzel in diesem Augenblick, ein Vogel zu sein, um den Sprung zu überleben?

Unscharf und traumartig über dieses Bild projiziert liegt die Geschichte von Rapunzel. Derjenigen, die nie in einem Turm eingesperrt war, die aber genauso schön war, wie das Mädchen aus dem Märchen. Nur, dass ihr Haar schwarz war. Karriere hat sie nicht durch ihren Gesang gemacht, sondern als Model in der Medienwelt von heute.

An einem Punkt überschneiden sich die beiden Biografien. Auch das russische Mädchen erlebte den Moment vor der Öffnung des Fensters. Hinter ihr die Glitzerwelt eines Jet-Set-Lebens, unter ihr die Straßen von New York. Sie heißt Ruslana Korshunova und ist mit 20 Jahren gerade erwachsen geworden. Russisches Rapunzel wurde sie in den Medien genannt.

Die Installation hält den Augenblik fest, in dem der Ausgang sich noch nicht manifestiert hat; in dem Märchen, Traum und Wirklichkeit sich überlagern und in dem man noch hoffen kann. Auf Wunder, die nur im Märchen passieren.