21 Objekte, Installation, Texte
Der Glaube an Zauberei und Tiermenschen gehörte lange Zeit zum alltäglichen Leben. Hexensabbat und Teufelsbuhlschaft wurden als ebenso real angesehen, wie Ritte auf Besen und Flugsalbe aus Säuglingshaut. So verschieden die Vorwürfe der Hexerei auch waren, eins eint alle verhafteten Hexen und Zauberer: sie waren unschuldig. Dieses Projekt erinnert an Opfer, deren Geschichte im Laufe der Zeit nicht gänzlich verloren gegangen ist.
Die aufgeschnittenen Handtaschen symbolisieren die an die Öffentlichkeit gezerrte Intimität. Die Buchdeckel von alten Gesangbüchern und Bibeln erinnern nicht nur an die Rolle der kirchlichen Inquisition, sondern sie verweisen auch auf die Erfindung des Buchdrucks, durch den die massenhafte Verbreitung des „Hexenhammers“ und anderer Hetzschriften erst möglich wurde. Die Objekte im Inneren der Taschen stellen Bezüge zu Anklage und Prozessführung her oder sind Symbole
der Unschuld.
in_memoriam
Agnes Kremer
Wird von sechs Frauen (alle hingerichtet) als „Teufelsfrau“ besagt.
Ihr Mann (als Hexer 1637 in Siegburg zerfoltert und hingerichtet) gibt unter
der Folter an, sie auf dem Siegburger Marktplatz beim Hexentanz gesehen zu haben.
Anklage wegen Schadenzaubers. Sie bestreitet, eine Raupenplage verursacht zu haben,
gesteht nach zweimaliger Folter allerdings, zwei Schweine („zwey Verken“) mit Quecksilber
vergiftet zu haben, und weitere hexentypische Delikte wie Sex mit dem Teufel und
Teilnahme am Hexentanz.
Hingerichtet. Verbrannt.
19. Dezember 1637, Siegburg
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Sophia Agnes von Langenberg
Klarissin im Kloster St. Klara, Köln
Gilt als Heilige.
Wird wegen „Teufelsbesessenheit“, teuflischen Täuschungen (ein blutendes
Kreuz in ihrer Zelle) und dem verhexen von Nonnen (Besessenheit) inhaftiert.
Denunziert unter der Folter u. a. Katherina Henot.
Verurteilung wegen Hexerei und „anderer Excesse“.
Wird in ihrer Zelle erdrosselt und auf dem Freidhof zu Hettighofen –
wahrscheinlich außerhalb der Umfriedung – beerdigt.
Anzunehmen ist, dass ihre Zofe auch verurteilt und hingerichtet wurde.
30. Januar 1627 Lechenich
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Dr. Andreas Schweygel
70, angesehen und gebildet, Rechtsgelehrter und Vogt
Zweifelt an der Rechtmäßigkeit vieler Hexenprozesse. Er versucht sie zu verzögern
und steht damit den Amtmännern im Weg.
Wird als „Teufelsdiener“ inhaftiert.
Schwere stundenlange Folter. Kein Geständnis.
Erneute schwere Folter in deren Folge Dr. Schweygel an den massiven Verletzungen stirbt.
Ein „zerfolterter Angeklagter“ dem „der Teufel das Genick gebrochen hat“.
Sein reiches Vermögen – testamentarisch den Armen der Stadt vermacht –
zieht das Gericht ein.
Wird mit seinem eigenen Pferd zur Gerichtsstätte geschleift und
„ ... auff das schandtlichst ...“ verbrannt.
Sommer 1636, Rheinbach
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En Volmers
60, Hebamme
Der unerklärliche Tod eines schwachen Säuglings, sowie einer Wöchnerin und eine
Totgeburt (die allerdings lange Zeit zuvor stattfand) werden ihr zur Last gelegt.
Vernehmungsrichter deuten ihre Linkshändigkeit als Teufelsmerkmal, positive
Stimmen für die Angeklagte werden ignoriert.
Anklage wegen Hexerei und Schadenzauber. Verdacht auf Teufelspakt.
Erfoltertes Geständnis.
Wird am selben Tag wie En Konings – auch eine Kölner Hebamme – hingerichtet.
27. Juli 1630 Köln, Melaten
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Entgen Lennarts
10, Vagabunierendes Bettelkind. Halbwaise
Vater tot, von der Mutter verlassen
Bezichtigt sich selbst als „Teufelsliebchen“ und gesteht nach ihrer Inhaftierung bei
Verhören das, was sie auf der Straße aufgeschnappt hat: Bündnis mit dem Teufel,
Schadenzauber und Teufelsbuhlschaft.
Zweimalige Folter. Verbleibt noch zwei Jahre in Haft.
Unmittelbar nach der Volljährigkeit (Geschlechtsreife) erfolgt ihre Verurteilung.
Enthauptet. Verbrannt.
18. Februar 1655, Köln, Melaten
Letzte Hinrichtung einer verurteilten Hexe in Köln.
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God’s Gift (Gottesgeschenk)
ca. 14 Jahre alt
Für die Eltern ist die Geburt der Tochter ein Gottesgeschenk, daher erhält sie ihren ungewöhnlichen Namen. Als der Vater krank wird, eine neugeborene Schwester stirbt und immer
weniger zu Essen da ist, sucht die Mutter Rat beim Priester.Der Priester sagt God's Gift sei
schuld an der Misere der Familie, weil sie vom Teufel besessen sei.
Misshandlung, Folter und versuchter Mord mit der Machete (von ihren Verwandten ausgeführt).
God’s Gift gesteht unter den Misshandlungen die Hexereivorwürfe und flieht von zu Hause.
Sie lebt heute im Heim des Child's Right and Rehabilitation Networks, Nigeria
und hofft, eines Tages nach Hause zurückkehren zu können.
2016, Nigeria, Eket, Niger-Delta
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Tringen Vasen (Vaßbecker)
Wird von fünf anderen Angeklagten „besagt“. Weil sie nicht gestehen will,
setzt die Folter ein. Nach wiederholtem Aufziehen (an – auf dem Rücken gefesselten Händen),
Beinschrauben und Peinstuhl (Nagelstuhl) gibt sie zu, eine Raupenplage in benachbarte
Gärten gezaubert zu haben „... hette irstlich Wasser, Erdt und Deufelsschmier darin gethan,
und werten daraus Ruppen worden ... und würden in Deufels Namen ausgeworfen ...“
Verurteilung wegen Schadenzauber. Erfoltertes Geständnis.
Erdrosselt. Verbrannt.
01. Dezember 1637, Siegburg, Brückberg
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Abram Madibeng Phasa
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Soll seinen Bruder erschlagen haben um aus dessen Körperteilen Muti (Medizin)
herzustellen. Wird vom Wahrsager und Medizinmann des Ortes
– nach Befragung eines Orakels – als Hexer entlarvt und von Nachbarn und
Verwandten auf der Straße gesteinigt.
14. Februar 1993, Driekop in Limpopo, Südafrika
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Peter von Rodenkirchen
11, Waisenjunge
Wird beim Opferstockdiebstahl erwischt und inhaftiert.
Erzählt dem Gericht von Hexensabbatbesuchen, wo es „Röggelchen“ und Fleisch gegeben habe, allerdings kein Salz. Berichtet phantasievoll von Zeremonien zur
Abschwörung von Gott.
Wird immer wieder zu Teufeln befragt und die Aufzeichnungen seiner Aussagen lassen
heute auf wiederholten Missbrauch schließen. Wird wegen Hasenzauber, Schadenzauber und Teufelsbuhlschaft
verurteilt.
Verbleibt noch bis zur Volljährigkeit (Geschlechtsreife) knappe drei Jahre in Haft.
Enthauptet. Verbrannt.
18. Dezember 1647 (?) Köln, Melaten
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Tringen Vogts
ca. 48 Jahre alt
Wird von drei bereits hingerichteten Frauen besagt.
Sie wird inhaftiert und gefoltert.
Insgesamt widerruft sie drei Mal ihre erfolterten Geständnisse, danach wird
die Tortur jeweils bis zum erneuten Geständnis fortgesetzt. Sie äußert Selbstmordabsichten: ... wünscht sich zu essen und zu trinken, dass sie daran bersten möge ...
Zwei Teufelsaustreibungen und weitere Folter.
Gesteht, weil sie kein Entkommen sieht und weiteren Befragungen entgehen will.
Sie besagt unter der Folter 11 weitere Frauen, von denen drei bereits verbrannt sind.
Geständnis. Todesurteil. Erhängt. Verbrannt.
1638 Siegburg, Galgenberg
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Bana bandoki
Installation auf dem Hexengedenkstein im Stadtmuseum Siegburg
Weiße Wurzeln zu unbekannten Ahnen. Sündenböcke für Armut, Krankheit und Unglück. Damals wie heute verfolgt, verhört, gefoltert. Schauplatzverlagerung nach Nigeria. Männer der Kirche machen
Kinder für Unglück verantwortlich. Eltern, Verwandte und Bekannte glauben ihnen. Hexenkinder (Bana bandoki). Nägel in Köpfen, abgesägte Schädeldecken, Säure in Gesichtern, Kleinkinder
eingegraben in Termitenhügel.
Erfolterte Geständnisse.
Getötet, verstümmelt, verstoßen, verbrannt.
2007 bis 2015 ca. 5000 Kinder in Nigeria